TANDEM zum Bildungsaufstieg
Stipendien- und Mentoringprogramm für Studierende
mit nichtakademischem Familienhintergrund

Für mehr Bildungsgerechtigkeit: Ein Stipendien- und Mentoringprogramm fördert Studierende, die als Erste in ihren Familien studieren.

TANDEM-Stipendien wollen jungen Menschen mit nichtakademischem Familienhintergrund den Bildungsaufstieg erleichtern. Die randstad stiftung förderte von 2015 bis 2017 zwei Studierende im Rahmen des TANDEM-Stipendienprogramms der Deutschen Universitätsstiftung.

Seit 2012 haben Studierende mit nichtakademischem Familienhintergrund die Möglichkeit, vom TANDEM-Stipendienprogramm der Deutschen Universitätsstiftung zu profitieren. Aktuell erhalten rund 100 Stipendiaten, häufig aus dem Teilnehmerkreis des Studienkompass, im TANDEM eine 1:1-Betreuung durch einen Hochschullehrer ihrer Fachrichtung direkt am Studienort. 

In Verbindung mit einer Reihe von Workshops zu Schlüsselkompetenzen wird dieses Mentoring zu einer umfassenden Unterstützung der Stipendiaten während ihres Studiums. Das Stipendienprogramm will Bildungschancen nachhaltig erhöhen und damit das Bildungssystem durchlässiger gestalten. Die randstad stiftung förderte von 2015 bis 2017 zwei Studierende im TANDEM-Programm für einen Zeitraum von drei Jahren. 

Interview

19.1.2017

Interview mit Tandem-Stipendiatinnen

Elaha Ansari und Julia Kattwinkel sind seit Oktober 2014 Stipendiatinnen des TANDEM-Programms der Deutschen Universitätsstiftung, gefördert von der randstad stiftung. In einem Interview blicken sie auf ihre Erfahrungen rund um das Stipendium zurück.

randstad stiftung: Wie hat Ihnen die Teilnahme am Studienkompass, einem Förderprogramm für junge Menschen aus Elternhäusern ohne akademischen Hintergrund,  beim Start ins Studium geholfen?

Elaha Ansari: Der Schwerpunkt lag darauf, seine eigene Persönlichkeit besser kennenzulernen und sich bewusst zu werden, was man nach dem Abitur machen möchte.

Julia Kattwinkel: Für mich ging es eher darum, mithilfe des Studienkompass' Alternativen zu meinem Studienwunsch Psychologie herauszufinden und einen Plan B zu entwickeln, falls ich dafür keinen Studienplatz bekommen würde. Dafür war es hilfreich, dass man im Studienkompass einen Einblick in verschiedene Studienfächer erhält. Ich fand besonders den Austausch mit Studenten aus höheren Semestern oder unseren berufstätigen Vertrauenspersonen hilfreich, die mir auch bei Bewerbungen halfen. Seit Sommer 2014 bin ich nun im Studienkompass-Alumni-Verein aktiv und dort Vorsitzende des Fundraising-Teams. 

rs: Die Idee des studienbegleitenden Coachings durch einen Professor klingt perfekt. Wie funktioniert das in der täglichen Praxis?

EA: Man hat einen Mentor, an den man sich immer wenden kann, wenn man Schwierigkeiten hat. Dabei ist es egal, ob es fachliche Probleme sind, oder persönliche. Beispielsweise beriet mich mein Mentor bei meinem Fachwechsel von Geographie zu Englisch und auch bei meinem Drittfach Biologie. In der Regel treffen wir uns persönlich, was auch wünschenswert ist, da Gespräche generell unkomplizierter sind. Zudem finde ich es wichtig, dass man eine persönliche Beziehung entwickelt, sodass man keine Hemmungen hat, Probleme anzusprechen bzw. um Hilfe zu bitten. Ich finde zwei Treffen pro Semester und den Austausch per E-Mail empfehlenswert. Wenn mehr Bedarf besteht, kann man sich natürlich auch öfters sehen.

JK: Meine Mentorin und ich treffen uns ein- bis zweimal im Semester und tauschen uns aus. Ich kann mich aber jederzeit per E-Mail an sie wenden. Es ist interessant, die Strukturen des Fachbereichs und des Studiums aus ihrer Perspektive zu sehen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie sich etwas bedeckt hält, vielleicht um mich nicht durch ihre Meinung zu lenken, aber manchmal würde ich mir etwas konkretere Tipps wünschen.

rs: Ein solcher Mentor kann neben dem fachlichen Rat den Studierenden aufgrund seiner Lebenserfahrung auch bei eher persönlichen Themen zur Seite stehen. Ist das eine realistische Option und könnten Sie eventuell auch ein Beispiel nennen? 

JK: Ich denke, es kommt auf die Beziehung zwischen Mentor und Stipendiat an, aber meine Mentorin berichtet schon manchmal davon, wie es bei ihr früher war, z.B. wie sie Praktika gehandhabt hat. Sie hat mir auch erzählt, dass sie möglicherweise ohne die Ermutigung ihrer Professorin keine Doktorarbeit geschrieben hätte und somit vielleicht einen ganz anderen Karriereweg eingeschlagen hätte.  Sie zeigt mir damit auf, dass man im Leben oft bestimmte Wege geht, die man vorher gar nicht auf dem Schirm hatte.  

EA: Man sollte auf jeden Fall bereit sein, sich zu öffnen. Mein Mentor hat mir Mut zugesprochen, als ich bei einer sehr wichtigen und anspruchsvollen Klausur verzweifelt war und mir nicht sicher war, ob ich sie bestehen werde. Er hat mich motiviert, mein Bestes zu geben.

rs: Im TANDEM-Programm gibt es ein umfassendes Workshop-Angebot. Was ist die Zielsetzung und wie hilfreich sind die Workshops aus Ihrer Sicht für das Studium und/oder die Zeit danach? 

JK: In den Workshops wurden fachübergreifende Soft Skills vermittelt, die jeder in seinem Studium oder Berufsleben früher oder später braucht. Nicht alle Inhalte waren grundsätzlich neu, einiges überschnitt sich mit den Workshops im Studienkompass oder im Alumni-Verein. Teilweise gab es aber auch neue Herangehensweisen und hilfreiche Tipps, zum Beispiel, dass man sich frühzeitig auf Karriereportalen wie Xing oder LinkedIn ein Profil anlegen sollte, um sich ein Netzwerk aufzubauen, auf das man zurückgreifen kann, wenn man vor dem Berufseinstieg steht. Die Gestaltung der Workshops war immer vielseitig und abwechslungsreich. 

EA: Die Workshops sind meiner Meinung nach sehr sinnvoll, da die wenigsten in unserem Alter sich bewusst mit Schlüsselqualifikationen beschäftigen, diese jedoch sowohl im Studium als auch außeruniversitär erwartet werden. Es ist beispielsweise hilfreich zu wissen, wie man mit Zeitdruck und Stress umgehen kann, wie man präventiv vorgehen kann, dass es gar nicht zu einem Problem kommt; oder wie man bei einer Präsentation überzeugend auftreten kann, die Aufmerksamkeit sowohl wecken als auch erhalten kann, und welche Aktivierungstechniken es gibt. Die Workshops beinhalten auch immer Praxisübungen, sodass wir unser Wissen sofort anwenden und danach sogar professionelles Feedback erhalten können. Natürlich reicht allein die Teilnahme am Workshop nicht, um zukünftig alles meistern zu können.  Vielmehr geht es darum, uns Input zu geben, aber diesen Input stetig weiter zu entwickeln, indem wir sie regelmäßig anwenden. Daher ist jeder selbst für sich und sein Erfolg verantwortlich.

rs: Ein Höhepunkt bei TANDEM ist sicher die Summer Session für Stipendiaten in Kalifornien. Frau Kattwinkel, sie haben das in 2015 erlebt. Was wirkt nach und wie sehen Sie das rückblickend?

JK: Ich denke immer wieder gerne an diese unglaubliche Zeit zurück und bin immer noch dankbar dafür, dass die randstad stiftung mir dieses kompakte Auslandssemester an einer so renommierten Universität wie der UCLA ermöglicht hat. Ich finde summer sessions sind eine sehr gute Möglichkeit, während des Studiums ins Ausland zu gehen, ohne dabei ein Semester zu verlieren. Nachfolgenden TANDEM-Stipendiaten in Kalifornien konnte ich im Vorhinein mit Insidertipps bei der Planung beiseite stehen. Ich möchte diese Erfahrung nicht missen.

rs: Frau Ansari, Sie haben die Erfahrung im Sommer 2016 gemacht. Erzählen Sie uns über Ihre Eindrücke und Erlebnisse. 

EA: Ich habe mich für die Fächer Academic Reading & Writing und Vocal Techniques entschieden. Im Academic Reading & Writing haben wir regelmäßig viele wissenschaftliche Artikel gelesen, sie stilistisch analysiert, über die Inhalte diskutiert und anschließend darüber jeweils Essays als Hausaufgabe geschrieben. In Vocal Techniques haben wir nicht nur das Singen praktiziert, sondern sehr viel über Phonologie gelernt. Diese Fächerkombination hat es mir ermöglicht, mir innerhalb kurzer Zeit sehr viel Input und Wissen anzueignen, andererseits aber auch Spaß zu haben. Die Didaktik und Methodik an der UCLA ist ähnlich wie die des Anglistikfachbereichs meiner Universität in Gießen, was mich sehr erstaunt hat. Durch die hohen Studiengebühren hat der UCLA Campus jedoch eine großartige Ausstattung, z.B. einen Bookstore, eine Bibliothek mit vielen PCs und auch ruhigen Sitzmöglichkeiten, einen Foodcourt ein Fitnesstudio und ein Schwimmbecken. Das Leben in den Dormatories war eine neue Erfahrung für mich. Ich habe zum ersten Mal erlebt, wie aufregend und vielfältig es ist, in einem Studentenwohnheim zu leben. In meiner Freizeit habe ich mit anderen Kommilitonen einige Städte (Santa Monica, Santa Barbara, Hollywood, Beverlyhills) und Strände Kaliforniens (Malibu, Venice Beach) besucht. Insgesamt ist mir aufgefallen, dass die Amerikaner in ihrer Lebensweise viel offener und zugänglicher sind als man es in Deutschland gewohnt ist.

rs: Sie haben sich in den vergangenen beiden Jahren einen umfassenden Eindruck vom TANDEM-Programm machen können. Haben Sie Anregungen, was im Programm fehlt oder noch stärker ausgebaut werden sollte?

EA: Das einzige, was mir fehlte, war Abwechslung bei der Durchführung der Workshops. Es waren zwar immer verschiedene Themen, jedoch verlief alles nach einem bestimmten Muster (Input-Übungen-Input-Praxis), und meistens mit denselben Referenten, die jedoch sehr professionell waren.

JK: Vielleicht könnte man die Workshop-Inhalte etwas mehr mit den Workshops, die die Stipendiaten schon während ihrer Förderung durch den Studienkompass oder die Roland Berger Stiftung besucht haben, abgleichen, um auf dem Vorhandenen aufzubauen. Das Simulieren von Bewerbungsgesprächen hätte ich als Vorbereitung auf den Berufseinstieg sehr spannend gefunden. 

rs: Wie sehen Ihre beruflichen/persönlichen Perspektiven aus?

EA: Durch meinen Fachwechsel von Geographie zu Englisch nach dem 2. Semester wird sich mein Studium noch ein bisschen verlängern, was ich aber nicht schlimm finde. Lieber studiere ich länger, um dafür mein Leben lang Spaß am Unterrichten zu haben, anstatt früher fertig zu werden, jedoch frustriert zu sein. Nun habe ich glücklicherweise noch eine Zusage für Biologie als Drittfach erhalten, was ich aber gerne zu meinem Hauptfach machen würde, da meine Leidenschaft dafür schon immer sehr groß war. Zudem möchte ich in ein bis zwei Jahren gerne wieder ins Ausland, um meine Englischkenntnisse zu vervollkommnen, jedoch auch an meiner Persönlichkeit zu wachsen. Allerdings steht es für mich noch nicht fest, ob ich Work & Travel oder ein Auslandssemester machen möchte.

JK: Da es in Marburg ein vierjähriges Bachelorstudium gibt und ich im Anschluss noch einen einjährigen Master anschließen werde, benötige ich für das Studium noch zwei Jahre. Bis zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich noch nicht, ob ich eher im klinischen oder im wirtschaftspsychologischen Bereich arbeiten möchte. Zur Zeit tendiere ich eher dazu, in den Bereich Beratung zu gehen, als eine dreijährige Therapeutenausbildung zu absolvieren, die man selbst finanzieren muss.

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