2022 ist schon wieder halb vorbei und ich möchte kurz berichten.
Zunächst zu den Erfolgen der von uns Geförderten (in Auswahl):
- "Unser" syrischer Elektroanlagenmonteur hat seine Ausbildung mit Erfolg abgeschlossen und einen unbefristeten Vertrag bei seinem Ausbildungsbetrieb, der Deutschen Bahn, erhalten.
- Nachdem es (nach einigem Widerstand auch des Schulamtes) gelungen war, einen in Mathe und Naturwissenschaften sehr begabten syrischen Schüler aus der Integrationsklasse in eine integrierte Gesamtschule mit MINT-Schwerpunkt umzuschulen, ist er jetzt, am Ende von Klasse 9, Klassenbester und wird - wenn es so weitergeht - sicher dort sein Abitur machen können. Dieser Schüler hat außerdem ein Vollstipendium für die Teilnahme an der Hessischen Schülerakademie (Mathematik und Big Data) erhalten. Die Schülerakademie hat sich dabei explizit bei mir bedankt, dass wir den Schüler auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht und ihn im Bewerbungsverfahren begleitet haben. Solche Bewerbungen bekämen sie viel zu wenige.
- Eine von uns geförderte Iranerin, die 100% schwerbehindert ist, hat einen Einstieg bei Senckenberg im Bereich der Buchhaltung gefunden (was sie im Iran gelernt hatte). Wir begleiten Sie aktuell weiter und sind in engem Gespräch mit Senckenberg, wie sie dort weiter tätig sein und weiter ausgebildet werden kann.
- "Unser" Pflegehelfer schlägt sich im ersten Jahr mit einem Notendurchschnitt von 2 sehr gut und wird voraussichtlich die 3-jährige Pflegeausbildung anschließen.
- Beim Tischler - hier sind wir nochmal neue Wege gegangen und haben mit Hilfe eines in der Lehrwerkstatt selbst gedrehten Videos, das wir anschließend "verschriftet" haben - konnten wir die Grundlage für den Prüfungserfolg im CNC-Kurs legen.
- Weitere Erfolge sind vom Elektriker und vom Fachinformatiker (Abschluss des ersten Lehrjahrs) zu vermelden, sowie von den Absolventen der B1- und B2-Prüfungen.
- Auf das im Herbst beginnende Lehrjahr freut sich insbesondere eine alleinerziehende Syrerin und Mutter von fünf Kindern, die bei Heraeus eine Ausbildung zur Chemielaborantin beginnen darf. In einem vorherigen Praktikum hat sie die Tür, die von Frau Daum und der randstad stiftung aufgestoßen wurde, genutzt und Heraeus von sich überzeugt. Die Schulüberg.nge für die ältesten 3 Kinder (mit Durchschnittsnoten von 1,1 bis 2,7 nach nur 2 Jahren in Deutschland) sind jetzt wunschgemäß gelaufen, sodass sie sich ganz auf die eigene Ausbildung konzentrieren kann.
Diese positiven Entwicklungen machen uns natürlich Mut.
Belastend bleiben aber für die Individuen und damit auch für uns die Statusunsicherheit (Asylverfahren, drohende Abschiebungen) und die schwierigen Familien- und Wohnverhältnisse, aktuell auch die Inflation (mehr Besucher bei der Tafel).
Weil wir im ersten Halbjahr wieder sehr qualifizierte Ehrenamtliche dazu gewinnen konnten (u.A. einen Facharzt für Psychotherapie und Psychiatrie, einen Projektleiter Bau, einen Studierenden für Soziale Arbeit) konnten wir in den Lernpatenschaften zum Glück einiges abfangen und beim Lernen - trotz aller Umstände - helfen.
Parallel haben wir das Lernportal weiter entwickelt. Neu konnten wir u.a. zwei Lesegruppen etablieren, die online unter der Leitung von Ehrenamtlichen "Momo" (Niveau B1/B2) und "Der Erinnerungsfälscher" (Niveau B2-C1) das in der Vorwoche gelesene Kapitel diskutieren. Mit der Durchführung der Kurse entstehen auch die Lernmaterialien (Leitfragen für die Lektüre) für die weitere Nutzung.
Der wachsende Materialienschatz zur Vorbereitung auf die B1/B2 Prüfungen erfreut sich größter Beliebtheit und wird stark von den Lerntandems genutzt. Aus den Deutschstunden ergeben sich weitere Bedarfe, die wir dann in kleinere Trainings-Module für die Grammatik und den Wortschatz umsetzen. Da einer der von uns geförderten Menschen über Fachkenntnisse in der Fotografie verfügt (Materialien für Bildbeschreibungen und Prüfungsfragen), bringen sich somit die Geförderten selbst in das Förderprogramm von Navigare ein. Eine sehr schöne Entwicklung.
Nach einer "Zwangs-Corona-Pause" findet jeden Montagabend wieder regelmäßig der Spieleabend statt. Derzeit ist das Spiel "Deutschland entdecken" besonders beliebt. Aus den Erfahrungen der erfolgreichen Prüfungsvorbereitung für die IHK-Prüfungen und der Beliebtheit der Spiele-Runde entwickeln wir derzeit ein Projekt zur Entwicklung eines Spiels "Ausbildung in Deutschland" (Arbeitstitel). Nach heutigem Stand wird uns die zuständige Prüfungsfragenentwicklungsstelle die Rechte an den Fragen einräumen, sodass wir hier mit Originalfragen arbeiten können. Auch ein Verlag für Prüfungsmaterialen hat schon Interesse signalisiert. Eine Kooperation mit faberis von der FRAP-Agentur ist bereits ausgelotet. Wir berichten wieder, wenn es hier etwas Neues gibt.
Dank unseres guten Netzwerkes wurden wir über weitere Förderchancen informiert und konnten diese nutzen:
Über das Projekt digilift (EU-Mittel über das Land Hessen) erhalten wir Hardware + Schulungen im Wert von ca. 40.000 EUR, was nächste Woche ausgeliefert wird. Für unsere Aktivitäten im Lernportal und vor Ort ist besonders wichtig, dass dabei auch 20 Laptops und 10 WLAN Stationen sind, die wir an die von uns geförderten Menschen weiter verleihen dürfen. Damit bekommt der Zugang (und die Stabilität der Internetverbindungen) nochmal einen deutlichen Schub und wir können noch mehr Lernangebote machen, die mindestens einen Laptop voraussetzen. Mit dem Beamer und einem Smart-Board bekommen wir zusätzliche Möglichkeiten, mit neuen Formaten zu experimentieren.
Ein uns gemachtes Angebot von Capgemini im Rahmen des sozialen Engagements des Unternehmens und der Mitarbeiter werden wir erstmals im September umsetzen. Unter dem Motto "Digitale Inklusion und Diversität trifft auf berufliche Integration" planen wir derzeit einen Workshop, den die Capgemini-Mitarbeiter für uns ausrichten (und finanzieren). Die räumliche Nähe der Capgemini-Niederlassung ist natürlich eine gute Voraussetzung. Wir hoffen damit, besonders IT-interessierte mit "echten Profis" zusammenzubringen und Kontakt und Wege in Praktika und Ausbildung zu etablieren. Wir starten mit einem Piloten, aber denken schon darüber nach, wie eine ganze Reihe aussehen könnte. Sichtbar für Capgemini wurden wir über die Broschüre zur Ehrenamtsmesse, auf der wir im letzten Jahr präsent waren.
Dem Haus des Stiftens, das verschiedene Förderkampagnen organisiert, um Mittel an gemeinnützige Einrichtungen zu lenken, verdanken wir (mit einer Spendenkampagne von ALDI Süd, wo wir den 2. Platz erreicht haben) eine Spende von 1.000 EUR.
Die Anfragen, Menschen bei Deutsch und Mathematik zu helfen und sie auf dem Weg in die Ausbildung zu begleiten, reißen nicht ab. Für die weitere Entwicklung unseres Angebots balancieren wir aktuell weiter die 1:1 Förderung mit der Förderung in Kleingruppen aus. Oft erfolgt ein individueller Einstieg, um dann die Förderung in Kleingruppen fortzusetzen. Die Zusammenarbeit mit der FRAP Agentur und dem taz, die wir wie geplant in diesem Jahr erweitert hatten, hat sich bewährt. Bislang haben uns noch keine direkten Anfragen von ukrainischen Flüchtlingen erreicht. Wir erwarten diese mit etwas Verzögerung im Laufe des Winters.
Wir haben uns, wie zu erkennen, für das zweite Halbjahr 2022 einiges vorgenommen - und hoffen natürlich auf die Fortführung der Förderung im Jahr 2023.
Frankfurt, 15. Juli 2022
Dr. Dorothee Dohrn