
Barrieren abbauen durch Sensibilisierung, Beratung und operativen Support in Unternehmen: für mehr berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderung.
»InkluJobs« unterstützte zwischen 2015 und 2017 kleine und mittelständische Unternehmen zielgerichtet und kostenfrei, die berufliche Teilhabe behinderter Menschen im Betrieb zu ermöglichen und zu verbessern – durch Sensibilisierung, Beratung und operativen Support.
Sensibilisierung
Peer-Beraterinnen und -Berater, die Herausforderungen und Chancen von Inklusion am Arbeitsplatz aus eigener Erfahrung kennen, sensibilisierten in Workshops Führungskräfte und Mitarbeiter in Unternehmen für soziale und berufliche Teilhabe.
Beratung
Expertinnen und Experten aus inklusionserfahrenen Betrieben berieten Unternehmen, die sich barrierefrei aufstellen wollten, zu möglichen Förderleistungen und zu inklusionsgeeigneten Jobprofilen.
Operativer Support
Inklusionsberaterinnen und -berater unterstützten operativ, wenn es um die Vermittlung geeigneter Kandidaten, die Beantragung von Fördergeldern oder die Verstetigung der Arbeitsverhältnisse in Unternehmen ging.
»InkluJobs« war ein Kooperationsprojekt des Netzwerks Inklusion Deutschland e.V. mit der Initiative Good Growth. »InkluJobs« wurde gefördert vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, dem Landeswohlfahrtsverband Hessen und der randstad stiftung.
Abschlussbericht
Das Projekt und seine Ziele
Vom 01.10.2015 bis 30.09.2017 hat der Netzwerk Inklusion Deutschland e.V. in Kooperation mit dem Unternehmen Good Growth das Pilotprojekt »InkluJobs« für Frankfurt am Main und den Hochtaunuskreis geplant und durchgeführt. Trotz Beendigung des Projektes bleiben die Initiatorinnen Alexandra Cremer vom Netzwerk Inklusion Deutschland e.V. als auch Alexandra von Winning von Good Growth dem Thema treu, denn Unternehmen für mehr Inklusion in der Arbeitswelt zu sensibilisieren und dabei zu unterstützen, die notwendigen Voraussetzungen für Menschen mit Behinderung zu schaffen, ist beiden ein großes Anliegen. Die wichtigste Informationsplattform ist die Website. Hier erhalten Unternehmen und Menschen mit Behinderung einen Überblick über das Projekt.
Zu den Zielen gehörte der Aufbau eines Netzwerks von Berater*innen, die eine Behinderung haben und zugleich im ersten Arbeitsmarkt beschäftigt sind. Zudem eine Anzahl an Unternehmens-Workshops sowie Beratungen mit Hilfe des neu entwickelten „Quick-Checks“ für Unternehmen. Darüber hinaus sollte mit Hilfe von Job-Carving erreicht werden, Mitarbeiter*innen von Routineaufgaben zu entlasten und zugleich neue Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Die Zielvorgaben konnten erreicht bis übertroffen werden, und die erzielten Erkenntnisse und geknüpften Kontakte führten bereits zu Ideen für ein weiteres Jobprojekt.
In viele Veranstaltungen und Arbeitskreise von der IHK, über die HWK, den BVMW bis hin zu Gewerbevereinen und Vorträgen bei Universitäten und Wirtschaftsveranstaltungen brachten Cremer und von Winning das Thema Inklusion immer wieder ein, damit es sich erfolgreich von vielen Seiten in die Arbeitswelt flechten konnte. Das Interesse war bei Arbeitgebern durchaus vorhanden. Zugleich wurde aber auch deutlich, dass es weniger Interesse gab, wenn Veranstaltungen angeboten wurden, in denen es ausschließlich um die Beschäftigung behinderter Menschen ging. Durchaus war das Thema der Inklusion am Arbeitsplatz aber attraktiv, wenn es passend zu anderen Themen wie Fachkräftemangel, Teilzeitkonzepte, demografischer Wandel etc. angeboten wurde oder als Zusatzthema bei bestehenden Netzwerkveranstaltungen platziert wurde.
Peer-Beratung in Workshops
Dank zahlreicher Gespräche mit Betroffenen und Arbeitgebern, gelang es ein Netzwerk an Berater*innen mit Behinderung aufzubauen, für die Inklusion gelebter Alltag und natürlich ein persönliches Anliegen ist. Nach dem Grundsatz „Nicht ohne uns über uns“ geben in den InkluJobs-Workshops Menschen mit Behinderung als Berater*innen ihr Wissen und ihre Erfahrungen weiter. Die dazu gehörigen Arbeitgeber stellten dem Projekt ihre Mitarbeiter*innen „kostenfrei“ für einzelne Projekttage zur Verfügung.
InkluJobs verfolgte das Ziel, Unternehmen mehr Lust auf Inklusion zu machen und ermöglicht dies insbesondere durch Begegnungen mit selbst betroffenen Berater*innen im Rahmen der Workshops. Eine offene und entspannte Atmosphäre, eine Kombination aus Informationen und Austausch persönlicher Erfahrungen, gepaart mit lebhaften Diskussionen und Spaß, führen schnell zu ersten Umsetzungsüberlegungen im Unternehmen.
Video-Portraits geben Arbeitnehmern mit Behinderung ein Gesicht
Arbeitgebern fällt es oft schwer, sich vorzustellen, wie sie Menschen mit Behinderung in Arbeitsabläufe einbinden können. Um Beispiele zu zeigen, wie inklusives Arbeiten ablaufen kann, stellt »InkluJobs« auf der Website eine Online-Plattform zur Verfügung, die Arbeitnehmern mit Behinderung Gesicht und Stimme gibt: In kurzen Video-Portraits berichten sie über ihren Job und ihre Erfahrungen. Die Kurzportraits veranschaulichen, wie Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen im Arbeitsalltag produktiv ihren Aufgaben nachgehen und inspirieren nicht nur Arbeitgeber, sondern auch Betroffene.
Informationen für inklusionsinteressierte Unternehmen
Neben Veranstaltungsbesuchen und der Website wurde ein Informationsflyer erstellt. Mit zielgerichteter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit haben die Projektinitiatorinnen das Thema Inklusion in den Medien platziert und am Ausbau ihres Netzwerks gearbeitet.
Parallel führte eine Kooperation mit der IHK Frankfurt und der Stabstelle Inklusion der Stadt Frankfurt sowie der Aktion Mensch im Frühjahr 2017 zur ersten Veranstaltung
„Personal.Fachkräfte.Diversity. – Chancen der Inklusion für Unternehmen“. Aufgrund der positiven Resonanz wird es am 16.11.2018 in der IHK Frankfurt eine Neuauflage mit leichten Konzeptanpassungen geben (morgens: Speed-Dating für Schüler*innen, die nach Praktikum oder Ausbildungsplatz suchen, mittags ein Rahmenprogramm und nachmittags Gespräche an Unternehmensständen für Menschen mit Berufserfahrung).
Mehr Infos dazu finden Sie unter: www.netzwerkinklusion.de/Personalforum
Das Projekt wurde gefördert vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, dem LWV Hessen Integrationsamt und der randstad stiftung.
Zusatzinfos:
Inklusion: Potenziale erkennen und nutzen
Die häufigste Ursache einer Schwerbehinderung ist eine im Lebensverlauf erworbene Krankheit. Schwerbehinderte Menschen sind daher meist älter. Der demografische Wandel wird ihre Zahl noch steigen lassen. Das Thema wird die meisten von uns früher oder später persönlich betreffen. Statistisch gesehen war im Jahr 2015 jeder 11. Bürger der Bundesrepublik schwerbehindert. (Quelle Bundesagentur für Arbeit)
Arbeitslose mit Schwerbehinderung sind oft gut qualifiziert: Unter schwerbehinderten Arbeitslosen finden sich mehr Fachkräfte als bei nicht schwerbehinderten Arbeitslosen. Dennoch gelingt es ihnen seltener, eine Beschäftigung am ersten Arbeitsmarkt zu erhalten.
Dabei hat gut gemachte Inklusion nachweislich positive Auswirkungen auf die Produktivität und das Arbeitsklima im Unternehmen. Viele Menschen mit Behinderung sind besonders
motiviert, ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten unter Beweis zu stellen. Die Atmosphäre ist meist offener und entspannter, die Menschen unterstützen sich gegenseitig und lernen, ihre Stärken zu teilen. Das selbstverständliche Zusammenarbeiten sollte das Ziel gemeinsamer Bemühungen sein.
Bei Interesse an konkreten Zahlen und Statistiken empfehlen wir die Informationen der Arbeitsagentur.
Interview
Gemeinsam stark für mehr Inklusion im Job
Als Sprecherin des Netzwerk Inklusion Frankfurt setzte sich Alexandra Cremer zunächst primär für die schulische Inklusion in Frankfurt ein. 2014 gründete sie ein entsprechendes Pendant auf Deutschlandebene, das Netzwerk Inklusion Deutschland. Mit ihrer Partnerin, Alexandra von Winning, Inhaberin des auf Nachhaltigkeit spezialisierten Beratungsunternehmens Good Growth, hat sie das Projekt »InkluJobs« ins Leben gerufen, zunächst für den Hochtaunuskreis und Frankfurt. Das Angebot im Rahmen des Hessischen Perspektivprogramms zur Verbesserung der Arbeitsmarktchancen schwerbehinderter Menschen (HePAS) ist insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen gedacht. »InkluJobs« wird gefördert vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration, dem LWV Hessen Integrationsamt und von der randstad stiftung.
randstad stiftung: Das Projekt ist im Herbst 2015 angelaufen. Was ist das Ziel des Projektes?
Alexandra Cremer: Ziel ist, dass Unternehmen das Thema Inklusion bei der Besetzung von neuen Stellen eines Tages selbstverständlich mitdenken. In Stellenausschreibungen sind Menschen mit Behinderungen oft schon ausdrücklich zur Bewerbung aufgerufen, aber oftmals ist der Gedanke an die Umsetzung noch gar nicht in Unternehmen verankert.
rs: Warum, glauben Sie, sind die Unternehmen hier noch zögerlich?
Alexandra von Winning: Kleine und mittelständische Unternehmen haben oft keine rechte Vorstellung von Menschen mit Behinderung, die im Arbeitsleben stehen und wie so oft mündet „nicht kennen“ in „nicht wagen“. Zudem bleibt im operativen Geschäft kaum Zeit, sich diesem Thema und den damit verbundenen Vorurteilen gezielt zu widmen. Das möchten wir im ersten Schritt mit unseren Workshops ändern. Hierzu bringen wir 2-3 Peer-Berater mit, die eine Behinderung haben und im 1. Arbeitsmarkt beschäftigt sind. Wir bringen sie mit den Unternehmensvertretern für einen offenen Austausch zusammen. Das ist nur möglich, weil es sich nicht um eine Bewerbungssituation handelt.
rs: Ist das bei größeren Unternehmen anders?
AC: Von Großunternehmen hören wir vermehrt, dass sie explizit nach Bewerbungen von Menschen mit Behinderung fragen, aber sich keine Personen bewerben. Und dachten wir zunächst, dass die Diversity Abteilungen bereits alles wissen und unsere Workshops nicht brauchen, so stellen wir doch fest, dass die Arbeit insbesondere für Schwerbehindertenvertretungen gar nicht so einfach ist. Anders als Initiativen für Frauen oder Homosexuelle sind Behinderungen so vielfältig, dass die Betroffenen - außer dem Besitz eines Schwerstbehindertenausweises - oft keine gemeinsame Basis sehen und das Verständnis für andere Behinderungen fehlt. Auch hier können unsere InkluJobs-Workshops unterstützen.
rs: Was bieten Sie den Unternehmen im Rahmen Ihres Projektes an?
AvW: Ein Teil unseres Angebotes sind die Workshops. Hier bieten wir neben der direkten Begegnung mit unseren Peer-Beratern auch einen Überblick über Fördermöglichkeiten, Kündigungsrecht und unterstützende Institutionen. Wenn sich ein Unternehmen weitergehend interessiert, prüfen wir gemeinsam bestehende Jobprofile und überlegen mit dem Unternehmen, ob sich ein Profil nicht auch für einen Menschen mit einer bestimmten Behinderung eignen könnte. Dann muss geklärt werden, welche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit notwendig sind. Oft sind es nur kleinere Hilfsmittel, wie z.B. ein größerer Monitor für eine sehbehinderte Person, eine bestimmte Software oder eine Rampe für einen Rollstuhlfahrer. Auch eine begleitende Assistenz kann notwendig sein, wenn die Behinderung umfassender ist. Zudem überlegen wir gemeinsam mit Unternehmensvertretern, ob sich aus mehreren bestehenden Jobprofilen nicht Teile herauslösen lassen, um einen neuen Job zu kreieren. Das nennt man JobCarving und ist unter Umständen eine sehr interessante Möglichkeit, um gerade auch ungelernte Kräfte in Arbeit zu bringen und Kollegen zu entlasten.
rs: Gab es ein besonderes Erlebnis im Rahmen der Workshops?
AC: Ja! Anfangs dachten wir, dass insbesondere die Unternehmensvertreter davon profitieren, unsere Workshops zu besuchen und sich innerhalb dieser Begegnung dem Thema zu nähern. Doch schon im ersten Workshop stellten wir fest, dass sich die Peer-Berater in einer völlig neuen Rolle wiederfanden, die positive Auswirkungen hatte. Zum Teil saßen sie erstmalig nicht am Tisch, OBWOHL sie eine Behinderung haben, sondern WEIL ihr einzigartiges Expertenwissen gefragt war! Das ist mal eine ganz neue Rolle. Was für die Peer-Berater völlig selbstverständlich ist und Alltag bedeutet, klingt für die Zuhörer faszinierend und ließ unsere Peer-Berater am Ende geradezu beschwingt den Raum verlassen. Ein großartiger Nebeneffekt!
rs: Gibt es auch etwas für Unternehmen, die bereits Menschen mit Behinderung beschäftigen?
AvW: Wir suchen nach Unternehmen, die bereit sind, ein Statement in Form eines kurzen Films zum Stand und den Erlebnissen zu Inklusion in ihrem Unternehmen abzugeben. Wir sammeln diese Best-Practice-Beispiele und bieten die Veröffentlichung der Videos auf unserer Webseite an. Zudem sammeln wir Video-Portraits von Menschen mit Behinderung, die im 1. Arbeitsmarkt stehen und bereit sind, in einem kurzen Video davon zu berichten. Wir haben bereits erste Videos auf unserer Website in der Rubrik Video Portraits.
rs: Wenn jemand „Peer-Berater“ werden möchte: was muss er oder sie dann tun?
AC: Wir freuen uns über die Kontaktaufnahme von Menschen, die bereit sind, vor fremden Personen über sich und ihren Werdegang sowie ihre Behinderung zu sprechen. Da unsere Workshops tagsüber stattfinden, sollte hier auch das beschäftigende Unternehmen als Kooperationspartner mit im Boot sein. Die Peer-Berater, mit denen wir derzeit arbeiten, werden für eine bestimmte Anzahl von Workshops von ihren Arbeitgebern freigestellt und bezahlt. Wir kommen für die Fahrtkosten auf. Wie wir feststellen ist das eine Win-Win-Situation: für die Arbeitgeber, für die Peer-Berater, für die Workshop-Teilnehmerinnen und -teilnehmer und auch für uns!