Projektbericht »Kompass«: Welche Erfahrungen haben TeilnehmerInnen und DozentInnen bisher gemacht?

Erster Bericht zum Projekt »Kompass« veröffentlicht. TeilnehmerInnen und DozentInnen berichten über ihre bisherigen Erfahrungen. Nächster Kursbeginn ist am 18. Oktober 2013.

Das Projekt »Kompass« wurde vor vier Jahren an der Freien Universität Berlin mit dem Ziel begonnen, Bachelor-Studierende bei der Entwicklung von Handlungskompetenzen zur Bewältigung des Übergangs vom Studium in das Erwerbsleben und zur Förderung von beruflicher Autonomie zu unterstützen.  Das Angebot richtet sich in erster Linie an angehende Geistes- und SozialwissenschaftlerInnen, denn gerade bei dieser Zielgruppe sind künftige Berufswege unklar und der Übergang in das Erwerbsleben erfordert in besonderem Maße Eigeninitiative, Selbststeuerung und Flexibilität.

Darüber hinaus trägt das Programm der Integration von jenen fachübergreifenden Kompetenzen in den BA-Studiengängen Rechnung, die seit der Einführung der neuen Studienabschlüsse als Bestandteil der Studiencurricula vorgesehen sind. So soll mit dem Erwerb berufsbezogener  und überfachlicher Kompetenzen die Sicherstellung einer allgemeinen Berufsbefähigung (»Employability«) und damit auch der Übergang von der Universität in den Arbeitsmarkt ermöglicht werden.

Das zweisemestrige »Kompass«-Modul besteht aus aufeinander abgestimmten Seminaren, praxisbezogenen Workshops und individuellen Coaching-Sitzungen. Dabei geht es um die Entfaltung, die systematische Nutzung und die Weiterentwicklung jener Potenziale und Kompetenzen, die auf eine berufliche Zielklärung  und auf selbstgesteuertes und selbstverantwortliches Handeln zur Gestaltung des Berufsverlaufs, zur Lösung berufsbezogener Probleme und zur Bewältigung persönlicher Zielkonflikte gerichtet sind.

Aus der Praxis von TeilnehmerInnen des »Kompass«-Programms

Stimmen zu ihren Motiven

Helena: Gerade mit meiner geistes- und kulturwissenschaftlichen Fächerkombination musste ich mich immer wieder kritischen Fragen wie »Was machst du dann eigentlich damit?« und »Bekommst du damit überhaupt einen Arbeitsplatz?« stellen. Zwar konnte ich mich meist bei neugierigen Freunden, Bekannten und Verwandten geschickt rausreden, indem ich ihnen von Arbeitsmöglichkeiten »verschiedener Arten« bei »Organisationen, Vereinen, Ministerien und Zeitschriften« berichtete. Doch ich wusste nur zu genau, dass die Antwort »keine Ahnung« sehr viel ehrlicher gewesen wäre. (…)
Der »Kompass«-Kurs erschien mir als die ideale Lösung, um auf der einen Seite mehr über mich, meine Fähigkeiten und Interessen zu erfahren und auf der anderen Seite auch aktiv an meiner beruflichen Zukunftsgestaltung zu arbeiten. Mich sprachen vor allem Kursinhalte wie Selbstreflexion, Selbstprofil und Zielfindung an.

Juliane: Ich sah in dem Kurs eine Art willkommene Begleitung zur Bewältigung der Krise »Eintritt in das Berufsleben«. (…) Mir war es vor allem wichtig, Klarheit über meine berufliche Zielrichtung zu erlangen sowie dabei meine persönlichen Ziele konkreter formulieren und setzen zu können. Außerdem war für mich entscheidend, meine persönlichen Stärken zu identifizieren sowie aufgezeigt zu bekommen, wie ich diese effizient nutzen kann, um mich in der Berufswelt zu behaupten.

Stimmen zu den Erkenntnissen

Helena: Vor allen Dingen habe ich gelernt, dass all das zu wissen allein nicht reicht. Man muss es für andere sichtbar machen, also nach außen transportieren. Die positiven Eigenschaften betonen und sich nicht scheuen dies zu tun. Wenn man Menschen von sich überzeugen will – sei es im beruflichen oder privaten –, ist es unabdingbar zu wissen, was man will, was man kann und wer man ist. Und erst wenn man das weiß und sich oft und über längeren Zeitraum bewusst gemacht hat, kann man das auch ausstrahlen.

Amelie: Der Lernprozess des Niederschreibens von Erfahrungen und vielen Dingen, über die man im Alltag nicht viel redet, weil man keine Zeit hat oder es vertagt, weil einem keine Antworten dazu einfallen, empfinde ich als sehr hilfreich. Ich glaube, es kann mir in Zukunft immer helfen, Fragen, Probleme oder einfach Erfahrungen auf ein Blatt zu zeichnen oder zu schreiben, denn so sieht man diese Dinge oftmals aus anderen Perspektiven, verarbeitet sie und findet Lösungen. (…) Ich habe das Projekt »Kompass« vielen meiner Kommilitonen und Freunden empfohlen, da ich es als einmalige Chance sehe, viel über sich selbst, seine Familie und vor allem seine Zukunft zu lernen.

Juliane: Auch wenn sich bisher noch nicht alle aber einige meiner Erwartungen erfüllt haben (…), habe ich durch »Kompass« wertvolle Anregungen bekommen und Strategien entwickelt, diese Ziele systematisch umzusetzen. (…) Durch den vielfältigen Input im Kurs hat sich bei mir ein Prozess in Gang gesetzt, meinen Weg zur Entscheidungsfindung klarer zu strukturieren. Außerdem bin ich motiviert, meine für das Berufsleben existenzielle Fähigkeit zur Selbstorganisation zu optimieren.

Olivia: Aus einem für Außenstehende diskontinuierlichen Berufsverlauf, wird für mich ein in sich logischer, kontinuierlicher Verlauf. »Kompass« hat mir (…) geholfen, mich noch ein Stück besser kennenzulernen.

Aus der Praxis von DozentInnen des »Kompass«-Programms

Stimmen zu den Erfahrungen nach 3 Kursdurchgängen

Luiza Olos:  Auf einer übergreifenden Ebene haben wir Theorie und Praxis stärker miteinander verbunden, das theoretische Konzept weiter ausgefeilt und anhand des Studierenden-Feedbacks auf die Zielgruppe zugeschnitten. In Bezug auf die konkrete didaktische Umsetzung haben wir die Einzelelemente einer Veranstaltung immer besser aufeinander abgestimmt, die Reihenfolge und die Länge der Veranstaltungen verändert und angepasst. Übungen, die sich nicht bewährt haben, haben  wir ersetzt und auf Grundlage unserer Erfahrung auch Übungen für unterschiedliche Zielgruppen konzipiert.

Larisa Kolmans: Unsere Methoden sind  für den akademischen Alltag oft ungewöhnlich. Man wird gebeten,  persönliche Erfahrungen aufzuschreiben, über die Zukunftsvorstellungen zu meditieren oder mit anderen Teilnehmern im  Team über persönliche Stärken zu reflektieren. Es ist wichtig, dass Studierende Vertrauen zu uns aufbauen und sich auf unsere Arbeitsweise einlassen.  Nicht jeder ist im gleichen Maße bereit, sich auf unsere Methoden einzulassen; nicht jedem ist zu Beginn außerdem klar, dass man sich womöglich auch mit den kritischen Aspekten im Laufe dieses Reflexionsprozesses auseinandersetzen muss. Das hatte zur Folge, dass wir z.B. den Hintergrund unserer Methoden für Studierende transparenter gemacht haben. Wir orientieren uns zunehmend stärker an unseren praktischen Erfahrungen während der Veranstaltungen und daran, was uns von Studierenden zu den einzelnen  Methoden zurückgemeldet wird. Eine weitere wichtige Quelle für die Optimierung von »Kompass« stellen unsere jährlich erfassten Evaluationsergebnisse dar.

Christian Härtwig: Unsere Evaluation zeigt, dass die Zielstrukturen der Teilnehmer sich recht unterschiedlich entwickeln. Die große Mehrheit profitiert von »Kompass«, allerdings gibt es unterschiedliche persönliche Ausgangslagen, Fragestellungen und entsprechende Bedürfnisse nach Förderung.

Ernst Hoff:  Die Erfahrung einer gewissen Unverbundenheit zwischen manchen Seminarinhalten sowie zwischen Seminaren und Workshops  führte zu stärkerem Herstellen von Bezügen,  auch für die Studierenden zu stärkeren Vorverweisen und Rückbezügen.

Stimmen zum Erfolg des »Kompass«-Programms nach 3 Kursdurchgängen

Nina Grübe: Trotz der Schwierigkeiten, zum einen unterschiedlichen Erwartungen der Studierenden gerecht zu werden und zum anderen eine große Varianz in den Eingangsvoraussetzungen (z.B. hinsichtlich des Standes  der Selbsterkenntnis) berücksichtigen zu müssen, läuft »Kompass« sehr gut. Dies wird insbesondere in Prüfungsleistungen sichtbar, die eine Selbstreflexion des »Kompass«-Prozesses zum Inhalt haben, beispielsweise in Lerntagebüchern. Die Studierenden profitieren von einer Stärkung ihres Selbstbewusstseins und einer größeren Selbstsicherheit. Sie werden angeregt und aktiviert (statt gelähmt), ihre Vorstellungen anzugehen und umzusetzen, gleichzeitig zeigen sie eine realistische Einschätzung von Möglichkeiten und auch Begrenzungen, ohne sich von letzteren entmutigen zu lassen. Die zunächst hohe wahrgenommene Schwelle, in den Arbeitsmarkt einzutreten, hat sich deutlich verkleinert.

Ernst Hoff: Der Erfolg von »Kompass« hält dauerhaft an. Man sollte nur überlegen, inwieweit »Abbröckeln« von TeilnehmerInnen tatsächlich motivational reduzierbar ist bzw. inwieweit dies unvermeidlich ist angesichts der Diversität von Studierenden.