»Manchmal ist es für mich schon sehr hart«

Erfahren Sie im Artikel vom 26.06.2012 in der Frankfurter Rundschau, wie der erste Stipendiat unseres Förderprojekts »Barrierefrei in Bildung und Beruf«, der zum 1. gehörlosen Kfz-Meister Deutschlands ausgebildet wird.

Mittels Gebärdensprache zum Meisterbrief
Frankfurt – Kfz-Mechaniker Kai Kragenings konzentriert sich auf den Vortrag über das Rechnungswesen. Doch im Unterschied zu seinen Kollegen richtet sich die Aufmerksamkeit des 35-Jährigen nicht auf den Ausbilder. Von Christina Pfänder

Der Gehörlose verfolgt die Mimik und Gestik seines Gebärdensprachdolmetschers. Sein Ziel: Er will Kfz-Meister werden.

»Manchmal ist für mich die Ausbildung schon sehr hart«, räumt der gebürtige Frankfurter ein. Nicht nur die Seminare in der Meisterschule, auch die Vor- und Nachbereitungen kosten den Kfz-Mechaniker jede Menge Zeit und Energie. So müsse er »sehr viele neue Fremdwörter lernen«, erklärt Kragenings.

Um die Meisterausbildung zu schaffen, arbeitet der von Geburt an Gehörlose nicht mehr - das wäre für ihn nicht zu schaffen. Die Meisterschule besucht Kragenings, der zuvor in Messel bei Darmstadt einen Job hatte, in Vollzeit. Die Entscheidung, noch einmal für eineinhalb Jahre in die Schulbank zu drücken, bereut er trotz der hohen Belastung aber nicht.

Einiges an Know-how und Talent voraus

Die Leidenschaft für Autos und Motorräder packte ihn schon früh. »In meiner Kindheit habe ich gerne zusammen mit meinem Vater an unserem Oldtimer geschraubt«, erklärt der Auto- und Motorradfahrer. »Es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht, an der Mechanik und Elektrik nach Fehlern zu suchen und sie zu beheben.«

Als Kfz-Mechaniker kamen ihm diese Erfahrungen zugute: »Im Grunde hatte ich manchem Meister einiges an Know-how und Talent voraus«, sagt Kragenings. »Da dachte ich mir: Wie kann es sein, dass ich bloß Geselle bin?« Trotz seines Könnens ist er auf Unterstützung angewiesen. »Meine Ausbildungen zum Kfz-Mechaniker und Kfz-Elektroniker konnte ich ohne Probleme absolvieren, da es Berufsschulen für Schwerhörige und Gehörlose gibt.«

Gleichberechtigte Teilhabe

Ein Problem sei jedoch, dass manche Berufsberater, Eltern, Lehrer und Kollegen gehörlose Menschen unterschätzen, schränkt Stefan Keller vom Landesverband der Gehörlosen Hessen e.V. (LVGH) ein. »Zahlreiche Gehörlose üben aber qualifizierte Berufe aus. Entscheidend ist ein funktionierendes Umfeld und wissende Förderer.« Nach Auskunft des Verbandes wäre Kragenings der erste gehörlose Kfz-Meister in Deutschland. Der Bundesverband hat dazu keine Statistik vorliegen.
Die Randstad-Stiftung ist ein Förderer und setzt sich mit dem Projekt »Barrierefrei in Bildung und Beruf« seit Anfang des Jahres für gehörlose und hörgeschädigte Menschen in Hessen ein. Ziel ist, ihnen eine gleichberechtigte Teilhabe in Bildung, Ausbildung und Beruf zu ermöglichen. Der LVGH wird mit 28.000 Euro im Jahr unterstützt. Mit diesem Geld wird auch der Gebärdensprachdolmetscher finanziert, den Kragenings für die Meisterschule in Frankfurt benötigt.

Kai Kragenings hofft auf eine barrierefreie Zukunft

»Wir möchten Öffentlichkeit und Gesellschaft für die Zukunft von Bildung und Arbeit sensibilisieren«, erklärt Stiftungssprecherin Laila Nissen. Das neue Stiftungsprogramm für gehörlose Menschen knüpfe an die Gründungsidee an. »Ziel ist es, dass die Bildungs- und Berufsbarrieren in Deutschland weiter abgebaut und Gehörlose als gleichberechtigte Akteure der Lern- und Arbeitswelt wahrgenommen und anerkannt werden.«

Auch Kai Kragenings hofft auf eine barrierefreie Zukunft: »Für mich ist es natürlich nicht leicht, mit meinen Kollegen zu kommunizieren.« Da nicht viele Menschen die Gebärdensprache beherrschen, verständigt er sich meist durch Lippenablesen und mit Hilfe einfacher Handzeichen am Arbeitsplatz.

»Darüber hinaus zweifeln manche aufgrund meiner Behinderung zu Unrecht an meinen handwerklichen Fähigkeiten«, erzählt der Kfz-Mechaniker. Umso mehr freut er sich auf seinen Meistertitel. In der Meisterschule bewältigt er gerade den dritten Teil des Theoriepakets. Mit der Praxis geht es im August los, am Ende der Schulzeit muss er ein Meisterstück anfertigen.

»Die Meisterschule zu schaffen, wäre für mich das Größte«, versichert der 35-Jährige. »Vielleicht mache ich mich danach sogar selbstständig.«

dpa

Frankfurter Rundschau