ffm-Praxisprojekt
Studierende begleiten Schüler beim Schulwechsel und beim Übergang in die Arbeitswelt

Unterstützung beim Lernen und im Alltag: Studierende der Goethe-Universität Frankfurt am Main begleiten sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler.

In diesem Mentoring-Projekt unterstützen geschulte Lehramtsstudierende sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler am Übergang zwischen Grundschule und weiterführender Schule oder zwischen Schule und Arbeitswelt.

Hintergrund

Schul- und Ausbildungskarrieren scheitern häufig beim Wechsel von einer Schulform in die nächste. Auch beim Übergang in die Arbeitswelt tauchen neue Strukturen auf, Anforderungen steigen und bestehende Probleme – etwa Sprachschwierigkeiten – treten besonders hervor. Damit Zuwandererkinder, jugendliche Flüchtlinge aus Krisengebieten und sozial benachteiligte Schüler mit besonderem Förderbedarf bildungs- und berufsentscheidende Schnittstellen besser meistern können, bieten Lehramtsstudierende und Studierende der Erziehungswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main seit über zehn Jahren pädagogische Begleitung und Förderung mit dem »ffm-Praxisprojekt« an.

Starke Partner für starke Ziele

In Kooperation mit weiteren Stiftungen, dem Staatlichen Schulamt und dem Stadtschulamt Frankfurt am Main fördert die randstad stiftung das ffm-Praxisprojekt seit 2014. Umgesetzt wird es von der Didaktischen Werkstatt an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Es will insbesondere jungen Migrantinnen und Migranten das Ankommen in Deutschland erleichtern, steht darüber hinaus aber auch anderen sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen offen.

So funktioniert das Mentoring-Projekt

Lehramtsstudierende und Studierende der Erziehungswissenschaften unterstützen Grundschülerinnen und -schüler der Klassenstufen 4 und 5, Jugendliche im Übergang zur Arbeitswelt oder zu weiterführenden Schulen sowie Kinder und Jugendliche aus Kriegs- und Krisengebieten. Viele der jungen Menschen, die hier individuell und unentgeltlich unterstützt werden, haben einiges gemeinsam: Sie kommen aus anderen Ländern nach Deutschland, um hier einen Neuanfang zu wagen. Doch sie haben Schwierigkeiten im Verstehen, Lesen und Schreiben der deutschen Sprache und außerhalb des Unterrichts wenig Unterstützung. Neben dem zusätzlichen Unterricht in Deutsch, Mathematik und Englisch steht im Mentoring-Angebot die sozial-emotionale Begleitung der Schülerinnen und Schüler im Vordergrund.

Lernen fürs Leben – und für den Beruf!

Zweimal pro Woche sind die Studierenden in der Schule und treffen in Kleingruppen maximal sechs Schülerinnen und Schüler. Für mindestens ein Jahr haben sich die Studierenden dazu verpflichtet. Bevor es losgeht, werden sie auf ihren Arbeitseinsatz vorbereitet. Unterstützung erhalten die angehenden Lehrerinnen und Lehrer während des Schuljahrs vom Projektteam der Didaktischen Werkstatt in regelmäßigen Seminareinheiten.

Berichte

2.12.2020

Bericht für das beendete Projektjahr 2020

Vorbemerkung

Dieser Kurzbericht beschreibt eine Förderperiode, die von zwei entscheidenden Faktoren beeinflusst wurde und somit von den vorangegangenen Projektphasen deutlich abweicht.
Dies ist zum einen, dass wie im letzten Projektreffen vom 24.06.2019 besprochen, zunächst alle verbleibenden Optionen zu einer Weiterarbeit eruiert werden sollten. Hierzu zählte auch die sich herauskristallisierende Option, das FFM Projekt in seinem bestehenden Format auslaufen zu lassen, und es in einem neuen, ggf. auch kleineren Format, im nächsten Jahr mit veränderter Zielsetzung und ggf. neuen, weiteren Partnern wieder zu starten. Für diesen Fall wurde eine Einigung erzielt, die Förderprozesse unter dieser Prämisse bis zu den Sommerferien 2020 fortzuführen. Zusätzlich zur befristeten Fortführung der bestehenden Förderprozesse sollte eine neue Projektidee auf ihre Verwirklichung hin überprüft werden.
Bei dieser Projektidee handelt es sich um eine gruppenbezogene Förderung an einer beruflichen Schule, der Philipp-Holzmann-Schule, die sich für eine Kooperation aufgrund der räumlichen Nähe zur Goethe Universität hervorragend eignet. In diesem neuen Teil-Projekt sollten kreative und sprachliche Kompetenz gleichermaßen gefördert werden. Neben dem systematischen Spracherwerb im Unterricht sollte mittels dieses Projektes ein kreativer und stimulierender Aspekt integriert werden, den das schulische Curriculum ansonsten nicht vorhalten kann. Auf den Verlauf dieser „Pilotstudie“ wird im weiteren Bericht noch näher eingegangen werden.
Der zweite und wohl entscheidende Faktor, der die Projektarbeit im Wesentlichen jedoch negativ beeinflusste, war der unvorhersehbare „lock down“ in Folge der Covid 19 Pandemie, die sehr bald schon im März 2020 die Förderarbeit nahezu zum Erliegen brachte und in der weiteren Folge auch äußerst negativ beeinträchtigte.
Neben der Schließung aller Schulen und der Universität und der später erfolgen Umstellung auf online basierte Lehre und Unterricht, konnten Förderprozesse im Bereich Übergang 4/5 sowie im Bereich Übergang Schule-Arbeitswelt nur vereinzelt und unter eher unpersönlichen, virtuellen Formaten (SMS, WhatsApp und Skype Kontakte) bedingt aufrechterhalten werden. Es zeigte sich, dass der Anteil individueller, persönlicher und realer Beziehung, welcher allen unseren Förderprozessen immanent ist, unter diesen Bedingungen nicht wirklich aufrechterhalten werden oder kompensiert werden konnte. Diese schmerzliche Erfahrung wurde durch eine organisatorische Überlastung der Schulen und ein notwendigerweise striktes Befolgen der Abstands- und Hygieneregelungen (d.h. Reduzierung der notwendigen Kontakte auf wenige Professionelle wie z.B. nur eine Lehrkraft in der Grundschule) auch nach Wiederaufnahme des reduzierten Unterrichts vor den Sommerferien zusätzlich verstärkt.
Unter den aktuellen Voraussetzungen, der Perspektive eines weiteren online basierten Semesters weitgehend ohne Präsenzveranstaltung an der Universität sowie einer noch vorhandenen Unklarheit/Unsicherheit über den Verlauf des kommenden Schuljahres scheint der Projektleitung die Option eines verspäteten Neubeginns im Frühjahr 2021 mit dann veränderter Zielperspektive und somit neuer Konzeption die beste aller bestehenden Optionen darzustellen. Wie Sie aus dem Bericht entnehmen werden, ist die Idee einer Schreibwerkstatt als Basis für eine Neuaufstellung äußerst interessant. Eine Erweiterung dieser Projektidee auch auf jüngere Schülerinnen und Schüler etwa im Bereich Grundschule/Sekundarstufe I scheint ebenfalls denkbar. In einem Gespräch mit der Präsidialabteilung der Goethe-Universität am vergangenen Montag konnte die hohe Bedeutung individueller Förderangebote durch Studierende sowohl als innovatives Lehr-Lernformat als auch als service-learning Instrument im Zeitalter der Corona Pandemie dementsprechend unterstrichen werden. In einer hauseigenen Publikation (Uni-Report) soll dies auch der Universitätsöffentlichkeit ausführlich bekannt gemacht werden, wodurch ggf. auch weitere Finanzierungsmöglichkeiten erschlossen werden können.

Berichte zu den einzelnen Projekten.

Teilprojekt Übergangsbegleitung Grundschule-Sek I
Ab dem Wintersemester 2019/20 engagierten sich insgesamt noch sieben Studierende im Rahmen des Praxisprojekts Übergangsbegleitung Grundschule-Sek I. Der Praxiszugang wurde bei sechs Studierenden über die Carlo-Mierendorff-Schule hergestellt und bei einer Studierenden über die Geflüchtetenunterkunft in Bonames. Während drei Teilnehmer*innen ihr Engagement zum Wintersemester begannen, waren vier Studierende zu diesem Zeitpunkt bereits seit einem Semester im Praxisprojekt aktiv. In den 14-tägig stattfindenden Reflexionsseminaren unter der Leitung von Frau Schomburg fand ein reger und sehr fruchtbarer Austausch zwischen den neuen und den bereits erfahreneren Teilnehmer*innen statt. Dies wurde besonders darin sichtbar, dass die kenntnisreicheren Studierenden ihren Erfahrungsschatz weitergaben und die neueren Teilnehmer*innen diese Unterstützung dankend annahmen sowie gleichzeitig ihre (zunächst) außenstehende Perspektive einbrachten und neue Blickwinkel eröffneten. Somit lebte das Reflexionsseminar in erster Linie von dem Austausch der Studierenden, welcher von Frau Schomburg moderiert und begleitet wurde.
Nachdem zu Beginn einer jeden Sitzung ein Austausch über den aktuellen Stand der Projektverläufe stattfand, bestand der Kern des Seminars darin, Erinnerungsprotokolle der Studierenden tiefenhermeneutisch zu analysieren. Hierbei fungierte pro Sitzung eine Person als Fallgeber*in, welche*r in wertschätzender Atmosphäre ein Feedback von der Gruppe zu dem bereitgestellten Protokoll erfuhr. Den Studierenden wurden so nicht nur Reflexionsanregungen bezüglich ihres eigenen pädagogischen Handelns eröffnet, sondern zudem unterschiedliche Sicht- und Interpretationsweisen auf den geschilderten Fall geboten.
Um den Studierenden eine weitere Möglichkeit der Praxisreflexion nahe zu bringen, führte Frau Schomburg außerdem in die Methode der kollegialen Fallberatung ein. Hierbei dienten eine spontane Fallbeschreibung sowie eine daraus resultierende konkrete Fragestellung der Studierenden an die Gruppe als Ausgangspunkt. Die fallgebende Person wurde daraufhin nach einer bestimmten Struktur von der Gruppe beraten. Hierbei wurde das Ziel verfolgt, wertschätzende und kreative Lösungsvorschläge zu entwickeln, welche die fallgebende Person im Anschluss in der Praxis anwenden und umsetzen kann. Auch im Rahmen dieser Methode erfuhren die Studierenden eine Erweiterung ihres bisherigen Blickwinkels auf den eingebrachten Fall und bekamen die Möglichkeit, ihr eigenes Handeln zu reflektieren und alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Im Folgenden soll ein Einblick in die Projektverläufe der Studierenden gegeben werden: Frau Ellersiek begleitete Mustafa, der mit seiner Familie in der Geflüchtetenunterkunft Bonames lebt. Im Rahmen des Projektjahres gelang es Frau Ellersiek, ein exklusives Beziehungsangebot zu schaffen sowie vielfältige Möglichkeiten der Freizeitgestaltung aufzuzeigen. Frau Ellersiek stand in engem Kontakt zu der ganzen Familie und war auch für Mustafas Eltern und Geschwister eine Ansprechpartnerin.
Frau Celen traf sich mit Melissa, einer Schülerin der Carlo-Mierendorff-Schule, welche sie außerschulisch begleitete. Förderziel war es, Melissa darin zu unterstützen, mithilfe von Frau Celen eigene Interessen zu finden und ihr Selbstvertrauen dahingehend zu stärken, dass sie sich traut, eigene Wünsche zu artikulieren.
Frau Klosterbecker förderte Daria, eine Schülerin der Carlo-Mierendorff-Schule. Daria wurde im schulischen Kontext gefördert und genoss die Unterstützung und Aufmerksamkeit durch Frau Klosterbecker.
Herr Kranz hospitierte an der Carlo-Mierendorff-Schule und fokussierte sich hierbei besonders auf Mustafa, welcher aufgrund einer Sprachbarriere und fehlenden Schulmaterials nur erschwert am Unterricht teilnehmen konnte. Herr Kranz hatte einen ressourcenorientierten Blick auf Mustafa und unterstützte ihn insbesondere im Mathematikunterricht, damit dessen Stärken im mathematischen Bereich trotz Sprachbarriere gefördert und zum Ausdruck kommen konnten.
Frau Maier engagierte sich an der Carlo-Mierendorff-Schule und begleitete insbesondere Noah, der im Autismus Spektrum ist. Noah nahm die zusätzliche Unterstützung im Unterricht durch Frau Maier sehr gut an. Die Studentin beschäftigte unter anderem, dass der Schüler in der Schulpause häufig von Mitschüler*innen geärgert wird.
Frau Weidauer und Herr Stöhrer hospitierten in verschiedenen Klassen der Carlo-Mierendorff-Schule und unterstützten je nach Bedarf unterschiedliche Kinder im Rahmen des Unterrichts.
Neben den vielfältigen Themen, welche die Studierenden aus ihren individuellen Tandembeziehungen einbrachten, fand im Seminar ein Austausch zu fallübergreifenden Themen statt. Hierbei beschäftigte sich die Gruppe u.a. mit dem Rollenverständnis der Studierenden im Praxisprojekt, der Gestaltung von Schule und Unterricht, informellen Lernprozessen, Elternzusammenarbeit, Kinderschutz und der Gestaltung von Abschiedsprozessen in Tandembeziehungen.
Im Laufe des Wintersemesters beendeten vier Studierende ihr Projektjahr und konnten sich vor der Unterbrechung durch die Corona-Pandemie von ihren Tandempartner*innen verabschieden. Zum Abschluss des Projektjahres verfassten die Studierenden jeweils eine Hausarbeit zu einem Thema, welches sie aufgrund ihrer Praxiserfahrung und damit einhergehenden Irritationen literaturbasiert reflektieren wollten.
Mitte März 2020 wurden aufgrund der Corona-Pandemie die Präsenzlehre an der Goethe-Universität sowie der Schulbetrieb zunächst eingestellt. Frau Schomburg stand in dieser Zeit mit den übrigen Studierenden in Kontakt und besprach individuell das weitere Vorgehen. Da die Studierenden sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht für eine*n feste*n Tandempartner*in entschieden hatten, konnte keine außerschulische Förderung eingeleitet werden. Aufgrund der persönlichen Situation der Studierenden während der Corona-Pandemie konnte auch mit der Wiedereröffnung der Schulen keine weitere Hospitation stattfinden.
Im Teilprojekt Übergang von der Schule zur Arbeitswelt wurden zum Wintersemester, wegen des anstehenden Moratoriums, keine neuen Studierenden eingestellt, so dass lediglich die bestehenden Förderprozesse zu Ende geführt wurden. Es waren dies insgesamt sechs Prozesse, wovon drei in Kooperation mit der Gesellschaft für Jugendbeschäftigung GJB durchgeführt wurden. Zwei weitere Förderprozesse fanden in Kooperation mit einer Flüchtlingsunterkunft am Alten Flugplatz in Bonames, ein dritter in einer Werkstätteneinrichtung für Menschen mit Behinderung statt. Im letztgenannten Prozess ging es innerhalb einer fast zweijährigen Auseinandersetzung wesentlich um Fragen des „Empowerment“ bei einer jungen Frau, deren bisheriger Weg von der Schule in die WfMmB durch ein hohes Maß an Fremdbestimmung gekennzeichnet war. Dieser Frau gelang es mithilfe der sie betreuenden Studierenden, zunächst erste vorsichtige, zuletzt immer mutigere Schritte in den zweiten Arbeitsmarkt (Praktika, bezahlte Honorartätigkeiten) zu unternehmen.
In den fünf anderen Prozessen spielte die Flucht, mit oder ohne begleitende Eltern und Familienangehörige, eine entscheidende Rolle. Bei den älteren, unbegleiteten Jugendlichen und jungen Erwachsenen schien der Druck, das Leben in einem fremden Land zu meistern auch begleitet von dem starken Gefühl, der (zurückgelassenen) Familie etwas beweisen zu müssen oder diese sogar durch erarbeitetes Geld zu unterstützen. Hingegen blieben die bei der Flucht selbst erlebten dramatischen oder gar traumatisierenden Erlebnisse merkwürdig ausgeklammert. Die emotionale Überforderung und die extremen psychosozialen Belastungen, die die Flucht mit sich brachte, sollten, so die Ansicht der Studierenden, bei den Treffen unerwähnt bleiben, gleichsam, als sollte dies einen unbelasteten und vom Vergangenen unabhängigen Teilhabeprozesse einläuten helfen.
Nach Ansicht der Beteiligten hatten diese Prozesse ihre wohl stärkste Wirkung darin, der Gefahr einer kulturellen Überforderung und der Entfremdung einschließlich der damit einhergehenden integrative Probleme etwas entgegenzusetzen.
Im Pilotprojekt Förderung sprachlicher und kommunikativer Kompetenz durch kreative Schreibprozesse, so der Arbeitstitel, konnte im Herbst 2019 eine Vorstellung der Projektidee und der zunächst 5 Studieren-den in der InteA Klasse vereinbart werden. Diese Vorstellung des geplanten Projekts, bei der sie ihr vorbereitetes Poster präsentierten, hatte zur Folge, dass sich acht Schülerinnen und Schüler für die Teilnahme meldeten. Es wurde vereinbart, dass die Studierenden die Schülergruppe nach dem regulären Unterricht jeweils donnerstags um 12 Uhr treffen würde. Die Studierenden wollten die Schülergruppe an der Schule abholen und mit ihnen zu nahe gelegenen Universität gehen, wo ihnen ein Raum zur Verfügung gestellt wurde. Am verabredeten ersten Donnerstag verpassten sich Studierende und Schüler. Dieser erste Kontakt kam nicht zu Stande, da beide Gruppen an unterschiedlichen Orten aufeinander warteten. Die Studierenden kontaktierten den Klassenlehrer und verabredeten für den folgenden Termin, die Schülergruppe direkt am Klassenraum abzuholen. Dieser zweite Anlauf führte glücklicherweise zu einem ersten gemeinsamen Arbeiten. Das Abholen am Klassenraum bedeutete für die Schülergruppe größere Sicherheit und wurde positiv aufgenommen. Es zeigte sich in der Rückschau, dass die erst seit kurzem in Deutschland lebenden Jugendlichen in zahlreichen Situationen ‚an die Hand genommen’ werden müssen.
Die interessierten Schülerinnen und Schülern kamen aus Ungarn, Pakistan, Italien, Rumänien, Ghana, Eritrea und Bulgarien.
Das fachliche Begleitseminar startete im Dezember 2019 mit Schreibübungen zum Perspektivenwechsel und zu einer zunächst theoretischen Überlegung zu Sinn und Wirkung der Workshoparbeit für die Jugendlichen. Zusätzlich, bzw. um die Studierenden selbst mit Erfahrungen auszustatten, wurden eine Reihe von spielerischen Übungen zum „kreativen Spiel mit Sprache“ durchgeführt.
Thematisch wurden die Begleitseminare zusehends durch Probleme der Verbindlichkeit geprägt, so kamen die Schülerinnen und Schüler in unregelmäßigen Abständen; mal trafen sieben, mal nur drei Teilnehmer im Seminarraum der Uni, den sie mittlerweile alle kannten, ein. So konnten die Studierenden nur schwer einen sinnvoll aufeinander aufbauenden Ablauf planen und durchführen. Die Studierenden hatten zwar um regelmäßige Teilnahme gebeten, sie hatten jedoch nicht darauf gedrungen, das heißt, sie hatten die Regelmäßigkeit nicht zur verpflichtenden Voraussetzung gemacht, wohl auch aus Unsicherheit in ihrer Rollenausübung. Vermutlich wollten sie sich eher als ‚Kumpel’ denn als Lehrerinnen verstehen. Dass sie sich selbst mit dieser Angst vor verbindlichen Regeln schadeten, da sie mit ihrer geplanten Abfolge zu scheitern drohten und nicht aufeinander aufbauende Übungen präsentieren konnten, spürten sie nun schmerzlich. Nachdem diese missliche Lage besprochen wurde, entschied sich die Gruppe der Studierenden für einen wichtigen Schritt in Richtung Verbindlichkeit. Sie beschlossen, beim nächsten Treffen mitzuteilen, dass die folgenden drei Termine für alle verbindlich seien, da sie inhaltlich aufeinander aufbauten.
Wie wichtig der Beziehungsaspekt der gemeinsamen Arbeit war, zeigte sich auch darin, dass der Vorschlag, das letzte Treffen vor den Weihnachtsferien auf den Frankfurter Weihnachtsmarkt zu verlegen, begeistert aufgenommen worden war. Zwar gab es an dem Mittag keine Schreibübungen oder Schreibimpulse, jedoch kamen die Studierenden mit einzelnen ihrer Lerngruppe intensiver ins Gespräch, erfuhren einiges über das Verlassen des Heimatlandes und das Ankommen in Deutschland, freuten sich, dass einige der jungen Menschen Vertrauen zu ihnen fassten und etwas von ihrem persönlichen Schicksal preisgaben.
In der konkreten Arbeit mit der Gruppe war den Studierenden aufgefallen, dass einige der jungen Menschen sehr unter Leistungsstress zu leiden schienen. Sie versuchten die Übungen so gut wie möglich zu machen, verkrampften sich zusehends und verloren alle Anflüge von Kreativität. Daraufhin waren die Studierenden auf die Idee gekommen, einen Zwischenschritt einzufügen. Sie ermunterten die Schüler, in ihrer Muttersprache zu schreiben. Das anfängliche Erstaunen der Schüler verflog rasch und wandelte sich in Freude am Experimentieren mit Sprache. In einem nächsten Schritt ließen sie die Schüler sowohl auf Deutsch als auch in der Muttersprache schreiben. Und sie bemerkten, dass der anfängliche Stress nicht wiederkehrte, dass der Spaß hingegen blieb.
In den folgenden Sitzungen war nun die Gruppendynamik, die Anlaufschwierigkeiten schienen behoben, zentral. Zwei Schüler*innen der Gruppe hatten eine herausragende Rolle in der Gruppe inne. Beide experimentierten viel mit der deutschen Sprache, beide beeindruckten durch Ideenreichtum und Ehrgeiz. Beide besuchten das Projekt ausdrücklich, um ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Mit ihrem Eifer schienen sie die anderen Gruppenmitglieder anzuspornen. Gleichzeitig war auch zu spüren, dass sie in ihrer eindeutigen Dominanz den Ablauf der Sitzungen bestimmten, dass sie entweder die anderen bewusst an die Seite drängten oder sich die anderen an den Rand gedrängt fühlten.
Kurz nach dem dritten Begleitseminar brach das Projekt in der Schule in Folge der Corona Pandemie und der rasch einsetzenden Schulschließungen ab.
Entsprechend fielen auch alle folgenden im monatlichen Rhythmus geplanten Treffen zur Reflexion des Projekts dem Lockdown infolge der Covid 19 Pandemie zum Opfer und wurde durch videogestützte 7

Unterredungen ersetzt. Jedoch brach der Kontakt der Studierenden zu den Schülern und Schülerinnen nach und nach völlig ab.
Im abschließenden Gespräch wurde deutlich, dass die Studierenden nach dem schwierigen Beginn durchaus eine Entwicklung ihrer Beziehungen zu den jungen Menschen erlebt hatten. Ein Meilenstein war ihrer Meinung nach dem Besuch des Weihnachtsmarktes im Dezember 2019, auf dem sich die Gruppe insgesamt näherkam und einige aus der Gruppe den Studierenden viel aus ihrem Leben erzählten. Hier wurde auch deutlich, dass die Studierenden es mit einer völlig heterogenen Gruppe zu tun hatten und dass das einzig Verbindende in der kürzlich erfolgten Ankunft in Deutschland und in den mangelnden Deutschkenntnissen bestand. Ansonsten unterschieden sich die Kulturkreise und die familiären Situationen sehr voneinander.
Es wäre dem Projekt zu wünschen gewesen, in einer längeren, störungsfreien Phase seine Potentiale entfalten zu können. Diese waren leider nur in Ansätzen zu erkennen. Die Frage der (mangelnden)
Verbindlichkeit und des Arrangements von nicht- bzw. außerschulischen Angeboten bleibt jedoch auch für zukünftige Projektformen in seiner Ambivalenz bestehen.

 

Goethe Universität Frankfurt, November 2020

Dr. Robert Bernhardt

22.4.2016

Zehn Jahre ffm-Praxisprojekt

Das Jubiläum hat die Didaktische Werkstatt an der Goethe-Universität Frankfurt am Main zum Anlass genommen, um gemeinsam mit den beteiligten Stiftungen – randstad stiftung, Peter Fuld Stiftung, Crespo Foundation und Stiftung Citoyen – zu einer Pressekonferenz im Juni 2015 einzuladen. Dr. Robert Bernhard, Koordinator und pädagogischer Leiter des »ffm-Praxisprojekts« an der Didaktischen Werkstatt, Rainer Götzelmann vom staatlichen Schulamt und am Projekt teilnehmende Studierende und Schüler machten deutlich, wie groß der Mehrwert des Mentoring-Programms für alle Beteiligten ist.

Mentoring von Studierenden für Schüler

Seit 2005 bieten Lehramtsstudierende und Studierende der Erziehungswissenschaften pädagogische Begleitung und Förderung an bildungs- und berufsentscheidenden Schnittstellen. Bislang wurden über 1.000 Kinder und Jugendliche gefördert. Die Studierenden unterstützen für mindestens ein Jahr sozial benachteiligte Schülerinnen und Schüler beim Übergang in weiterführende Schulen und Arbeitswelt. Unterstützung erhalten die angehenden Pädagogen in regelmäßigen Seminaren der Didaktischen Werkstatt an der Goethe-Universität.

Zweimal pro Woche treffen sich Studierende und Schüler. Neben Nachhilfe in Deutsch oder Mathematik und der gezielten Vorbereitung auf Abschlussprüfungen steht die Alltagsbegleitung im Vordergrund. Die Studierenden sind Ansprechpartner bei persönlichen Problemen, beraten zu schulischen oder beruflichen Perspektiven und stehen bei der Bewältigung und Strukturierung des Alltags zur Seite. Das »ffm-Praxisprojekt« bietet zudem Raum für gemeinsame Freizeitaktivitäten.

Neue Prioritäten und die Zielgruppen im ffm-Praxisprojekt

Der Fokus des ffm-Praxisprojekts liegt aktuell auf der Unterstützung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Denn für ihre Integration in den Schulalltag sind zusätzliche Förderangebote besonders wichtig. Ende 2015 setzten sich bereits mehr als 50 Prozent der studentischen Projektteilnehmer in der Flüchtlingsbegleitung ein. Die Studierenden sind wichtige Bezugspersonen, die mit den Schülern über Ängste sprechen, ihnen Halt und Orientierung geben, auch wenn sie nicht alle Probleme lösen können.

Wissenschaftliche Aufarbeitung und Analyse

Der Erfolg des zunächst bis Ende 2016 befristeten »ffm-Praxisprojekts« hat die randstad stiftung 2015 dazu motiviert, in Zusammenarbeit mit der Goethe-Universität Frankfurt am Main und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft ein Forschungsprojekt zu ermöglichen. Eine Dissertation evaluiert derzeit die zentralen Angebote der Didaktischen Werkstatt für Studierende und Lehrkräfte. Die Forschungsergebnisse sollen 2018 veröffentlicht werden.

Projektpartner